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Rafael Horzon
Kolumne für die Zeitschrift "Der Freund", Ausgabe 6
Meine Homöopathie
Folge 1: Lycopodium
Meine erste direkte Begegnung mit Lycopodium geschah vor ungefähr drei Jahren in der Samuel-Hahnemann-Schule während einer geführten AM-Reise zum Thema. Vor meinem inneren Auge erschien plötzlich das Bild eines alten, kleinen Mannes. Er schwebte langsam auf mich zu, und ich erkannte in ihm den Lehrer meines Lehrers, Oberhaupt eines Sufi-Ordens.
Weder bin ich allgemein hellseherisch begabt, noch war ich diesem Manne zuvor schon einmal begegnet. In diesem Moment jedoch wusste ich, wer er war (er lebte zu diesem Zeitpunkt in der Türkei). Was ich in ihm erkannte, erfüllt mich noch heute mit tiefer Dankbarkeit. Dieser Mensch war so klein, so bescheiden und voller Sanftmut - je mehr er sich mir näherte, umso menschlicher erschien er mir. Er schien die ganze Welt in sich zu tragen! Dies Erlebnis hat mich tief erschüttert.
Was ist Lycopodium? Lycopodium clavatum, eines der zentralen Arzneimittel unserer Materia medica : Von den einen verehrt und den anderen verachtet. Die Reaktionen auf dieses Stoffwesen gehen weit auseinander. Es polarisiert die Gemüter. Doch Urteile werden schneller gefällt, als es dauert, sie wieder aufzuheben! Ich selber habe in den vergangenen 15 Monaten intensiver Auseinandersetzung mit Lycopodium einen Teil der gewaltigen Spannbreite zwischen Hoch- und Demut kennenlernen dürfen. Beides liegt in diesem Stoff verborgen.
Für die Herstellung des homöopathischen AM werden nur die Sporen des Lycopodium clavatum, auf deutsch Keulenbärlapp oder Schlangenmoos, verwendet. Es handelt sich dabei um ein schwefelgelbes ("vegetabiler Schwefel"), staubähnliches Pulver.
Hahnemann schreibt darüber in den Chronischen Krankheiten : "Außer dass es in eine Lichtflamme gestreut, ein Blitzfeuer erzeugt (Hexenmehl), diente es bisher zum Bestreuen leicht aneinander klebender Pillen und faltiger, wunder Stellen des Körpers." Hahnemann prüfte Lycopodium an sich selbst und sieben weiteren Mitprüfern und ergänzte die Prüfung durch später gemachte klinische Erfahrung mit dem Mittel. Er führte 16408 Symptome auf.
Auf welche Symptome wird Lycopodium angewendet? Vassilis Ghegas und Vithoulkas beschreiben den Lycopodium-Menschen als aufgeblasen und feige. Kent führt ihn III-wertig unter der Rubrik diktatorisch und machtliebend auf. Wut entwickelt er nur gegenüber Schwächeren, nämlich Frau und Kindern. Wenn er ehelicht, dann nur aus Statusdenken heraus. Bei der Vorstellung, ein Leben lang mit einer Frau zusammen zu sein, wird der Lycopodium-Mensch impotent und flieht aus der Familie, um sich seiner (untergebenen) Sekretärin in die Arme zu werfen. Für Candegabe stehen Hochmut, Minderwertigkeit und Erwartungsspannung im Zentrum des Lycopodium-Arzneimittelbildes. Ein bedauernswertes Wesen also, das fahrradfahrender Weise, aufgeblasen hinter einem Mercedeslenkrad sitzt
Körperliche Symptome: Oftmals kleinwüchsige Menschen, tiefe Stirnfurchen (insbes. Senkrechte), "Birnenform" des Körpers (oben dünn - unten dick), Kleidung: Hut, Weste, Hosenträger und/oder Gürtel, festes Schuhwerk. Kopfweh nach Geistesarbeit. Trübsichtigkeit. Verlangen nach Süßem. Schlaf nach Essen. Heisshunger, aber voll und satt nach wenigen Bissen. Flatulenz mit Kollern und Rumpeln. Ejaculatio praecox.
Behandlung des Lycopodium-Menschen:
5 Kügelchen (Globoli) auf der Zunge zergehen lassen, oder 10 Kügelchen in einem viertel Liter Wasser mit einem Löffel verkleppern und alle 5 Minuten einen kleinen Schluck trinken, bis der akute Zustand sich beruhigt.
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