Wissenschaftsakademie Berlin



    Vortrag "Internet / Rechtsfragen im Internet", 29.01.1999. Seminarleiter: Dipl.-Medienberater Stefan Mose, mose@debitel.net






    (Verzeichnis der verwendeten Literatur: siehe Anhang, sowie zum Ganzen auch: Schwarz, Mathias: Merkmale, Entwicklungstendenzen und Problemstellungen des Internet sowie Strömer, Tobias H.: Online-Recht, Heidelberg 1997).





    Themenübersicht:
    I. Einführung
    II. Zur Geschichte, Bedeutung, Funktionsweise und Wesensmerkmalen des Internet
    III. Einige Rechtsfragen im Internet
    IV. Literaturliste zum Thema Internet/Recht:





    I. Einführung:

    Es sollen im folgenden wichtige Rechtsfragen im Zusammenhang mit dem Internet und seinen Diensten in Auswahl dargestellt werden. Das Internet hat eine große Zahl von teilweise noch nicht abschließend geklärten Rechtsfragen aufgeworfen, die an sich in einen derartigen Vortrag hineingehörten. Ständig, besonders wegen der rasanten Entwicklung dieses Kommunikationsmediums geschieht hier in Bezug auf rechtliche Aspekte etwas Neues, das hier vorzutragen wäre.
    Wer sich mit den rechtlichen Fragestellungen des Internet beschäftigt, merkt schnell, daß ein Federstrich des Gesetzgebers bzw. auch des Richters oft wohldurchdachte Lösungen einzelner Fragen zu Makulatur werden läßt. Es kann angesichts der Fülle der rechtlichen Fragestellungen mit ihren zahlreichen Kontroversen, etwa in der juristischen Literatur, vernünftigerweise nicht Ziel dieser Darstellung sein, alles, was an Rechtsfragen in diesem Zusammenhang aufgetreten ist, hier zu präsentieren. Insoweit muß ich Sie auf die einschlägige Literatur zu diesem Themengebiet verweisen. Ich habe für Sie eine entsprechende Literaturliste vorbereitet, die Ihnen bereits vorliegt. In dieses Literaturverzeichnis habe ich nicht nur die Literatur, die ich in der Hauptsache diesem Vortrag zugrundegelegt habe, aufgenommen, sondern zusätzlich zu angesprochenen Themen noch weiterführende Literatur sowie Fundstellen im Internet selbst eingearbeitet.
    Einige Hauptgebiete, aus denen die rechtlichen Fragestellungen resultieren, möchte ich Ihnen bereits an dieser Stelle nennen. So bereitet etwa das Gebiet des elektronischen Rechts- und Geschäftsverkehrs, insbesondere der Vertragsschluß via Internet und der Zahlungsverkehr rechtliche Probleme. Auch Fragen des Schutzes geistigen Eigentums, Wettbewerbsrechts sowie der Werbung via Internet können hier vorab nur genannt werden. Hinzu treten rechtliche Fragen auf dem Gebiet des Datenschutzes ("Gläserner Bürger") sowie der Kriminalität mit und im Internet. (Bsp: Pornographie- und Gewaltdarstellungen, Ausspähen von Daten oder Beleidigungen per Internet.) Auch die Nutzung des Internet für Unternehmens- bzw. Erwerbszwecke ist keinesfalls unproblematisch. Unternehmen müssen ebenso wie Privatpersonen darauf achten, daß etwa die Inhalte ihrer Internetpräsenz nicht gegen geltendes Recht verstoßen, denn sonst drohen neben strafrechtlichen auch zivilrechtliche Folgen wie Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche, etwa im Bereich des Urheberrechts, so daß die Webpräsenz auch in dieser Hinsicht sehr teuer werden kann. Auch juristische Fragen der Telearbeit können zum Beispiel im Zusammenhang mit der Internetnutzung zu Erwerbszwecken
    auftreten.
    Dies soll zunächst insoweit genügen. Es sollte klargeworden sein, daß ein derartiger Vortrag weder alle nur in Betracht kommenden Rechtsfragen behandeln, noch den von Ihnen Betroffenen den Weg zum Rechtsanwalt ersparen kann, denn in der Praxis ist jeder Fall ein wenig anders geartet und Juristen weisen zurecht darauf hin, daß es auf die Details, oder auch "Umstände des Einzelfalles", nun einmal ankommt. Andererseits kann aber ein derartiger Vortrag der Schaffung oder Vertiefung eines bereits vorhandenen Bewußtseins in Bezug auf die rechtlichen Problemfelder, die dieses Kommunikationsmedium aufwirft, dienen. Den juristisch Gebildeten unter Ihnen mögen die folgenden Ausführungen gleichsam zu wenig juristisch, den Internetexperten zu "untechnisch" vorkommen. Der Vortrag richtet sich aber nicht an Experten auf beiden Gebieten, deren Wissenstand über das Recht und das Internet auch unterschiedlich sein kann. Dieses Seminar richtet sich vielmehr an alle - und dies sind ja die Mindestvoraussetzungen für die Teilnahme an dieser Veranstaltung - die zuzuhören vermögen, ohne daß hier spezielle Vorkenntnisse erforderlich wären. Die notwendigen Kenntnisse zum Bestehen des dieses Seminar begleitenden Tests, werde ich Ihnen im Rahmen dieses Referates zu vermitteln versuchen.

    Zunächst möchte ich Ihnen darstellen, was das Internet eigentlich ist, denn wer sich über Rechtsfragen, die dieses Medium aufgeworfen hat, unterrichten möchte, sollte einige Grundkenntnisse über die Geschichte, Funktionsweise und Bedeutung besitzen. Zudem möchte ich Ihnen zum weiteren Verständnis des Themas noch einige häufig genannte, wesentliche Eigenschaften des Internet erläutern.



    II. Zur Geschichte, Bedeutung, Funktionsweise und Wesensmerkmalen des Internet:

    Das Internet (auch "Netz der Netze" oder "Mutter aller Netze" genannt) ist das größte Computernetzwerk der Welt. Seine Geschichte begann vor ca. 30 Jahren in den Vereinigten Staaten von Amerika, in einer Zeit, als sich West und Ost im sog. Kalten Krieg befanden. Die US-Militärs beherrschte damals die Angst vor einem atomaren Erstschlag der Sowjetunion. Im Jahr 1969 wurde vom amerikanischen Verteidigungsministerium ein Netzwerk mit dem Namen ARPAnet eingerichtet, das als Urahn von der nach ihr benannten Advances Research Projects Agency aufgebaut wurde. Im Auftrag des Pentagon wurde somit am 1. September 1969 an der University of California, Los Angeles, der erste Rechner von der ARPA in Betrieb genommen. Dieses militärische Versuchsnetz diente zum Erforschen der Konzepte und Programme, auf denen heute das Internet beruht. Das ARPAnet sollte den US-Militärs insbesondere darüber Kenntnisse vermitteln, wie man ein effektives Computernetz verwirklichen könne, das den Ausfall eines oder mehrerer Systeme verkraftet, ohne zusammenzubrechen. Der zweite Hauptgedanke dieses dezentralen Netzes war, daß jeder Rechner, gleichviel welchen Typs, mit jedem anderen Computer im Verbund miteinander kommunizieren sollte. Die Grundlage dieser Kommunikation bildet das Internet Protocol (IP), ein digitales Standardformat, unabhängig vom Rechnertyp, vermöge dessen Daten versandt werden können. Oft wird auch vom TCP/IP gesprochen, ein Begriff, der oft verwendet wird, um das Internet als Ganzes zu charakterisieren, da erst beide Protokolle zusammen eine funktionierende Einheit bilden. Dies ist nicht ganz präzise, denn das Internet verwendet eine Anzahl verschiedener, sich ergänzender Protokolle und TCP (Transmission Control Protocol) sowie IP bezeichnen lediglich jeweils nur ein spezielles dieser
    mehreren Protokolle.
    Nachdem 1973 der das erste Institut außerhalb der USA, das University College in London, angeschlossen wurde, wurde das Netz immer mehr für nichtwissenschaftliche und unmilitärische Dinge wie etwa den Austausch von Briefen und Kochrezepten genutzt. Daraus resultierte die Spaltung des Netzes im Jahre 1983 in das MILnet (militärisch orientiert)) und das zivile NSFNET ("National Science Foundation Network"), letzteres wurde auch inoffiziell ARPAnet genannt.
    Zeitgleich zur Entwicklung des ARPAnet wurde in den Jahren 1979 bis 1983 das Computer Science Research Network (CSNET) aufgebaut, da der Zugang zum ARPAnet durch das Department of Defense beschränkt wurde und eine Anzahl amerikanischer Universitäten, die keinen Zugang zum ARPAnet hatten, die damit verknüpften Nachteile (Ansehen, mangelnde Forschung)wettmachen wollten.
    Aus dem NSFNET und dem CSNET entwickelte sich in der Folge dann das, was heute als Internet bekannt ist. Internet ist dabei die Bezeichnung für Interconnected Network. 1984, schließlich, wurde der erste bundesdeutsche Rechner an der Universität Dortmund mit dem Internet verbunden.

    Die Verbindung zum Internet ist an bestimmte technische Voraussetzungen geknüpft, so müssen Hard- und Software auf den Zugang abgestimmt sein. Neben einem Rechner - je schneller desto besser - sind im Hardwarebereich für den Nutzer - sofern er nicht auf hausinterne Standleitungen zurückzugreifen vermag - ein Telefonzugang via Modem und ein Provider erforderlich. Der Begriff Modem steht für (Modulator/Demodulator).
    Ein Modem ist eine technische Einrichtung, die einen Computer vermöge eines Datenübertragungskabels in der Regel mit einem Telefonanschluß verbindet und digitale Rechnerdaten in analoge Signale wandelt und über Datenleitungen überträgt und im Zielrechner zurückverwandelt. Daneben besteht die Möglichkeit eines Netzzugangs via ISDN, Mobilfunk, oderSatellit.
    Ein Provider, auch Acess-Provider ist dabei derjenige, der ebenso wie Onlinedienste unmittelbar den Zugang zum Netz vermittelt. Davon können die sog. Carrier oder Netzbetreiber unterschieden werden, die lediglich das Leitungsnetz zur Verfügung stellen, auf dem die Kommunikation verläuft, gemeint sind hier die Telekomgesellschaften.
    Wer lediglich Informationsangebote im Internet bereitstellt, wird als Content Provider bezeichnet. Und wer keine der genannten Tätigkeiten ausübt, sondern lediglich im Netz surft, etwa zur Informationsrecherche, kann als User oder Nutzer bezeichnet werden.

    Im Softwarebereich sind die wohl bekanntesten Programme, die das sog. Browsen ermöglichen, der Internet-Explorer der Fa. Microsoft und der Netscape-Navigator, die für die gängigen Betriebssysteme erhältlich sind. Browsen (engl.) (läßt sich mit "Herumstreifen" übersetzen).
    Über sogenannte Hypertext oder Hyperlinks, das sind spezielle Worte bzw. Zeichen, die auf einem aufgerufenen Text markiert sind, wird es über diese Software möglich, durch bloßen Klick mit einem Zeigegerät - wie der Maus - zu anderen Informationsangeboten oder Internet-Rechnern zu surfen. In diesem Fall wird das Internet zum WWW (world wide web oder auch W3). Das WWW - ein Unterdienst im Internet - ist im März 1989 von Tim Berners-Lee vom Kernforschungszentrum CERN in Genf entwickelt worden.
    War es anfänglich Ziel, im Rahmen des WWW Texte elektronisch miteinander zu verknüpfen, so wurden in der Folge zunehmend auch Bilder, Texte und Musik miteinander "verlinkt". Zudem integriert das WWW auch andere Internetdienste wie zB E-Mail.

    Wer die Frage beantworten möchte, wie viele Rechner zur Zeit im Internet angeschlossen sind, sieht sich mit dem Problem konfrontiert, daß das Internet mit seinen offenen Strukturen nicht so leicht durch Statistiken zu erfassen ist. Es dürfte die Beobachtung als einigermaßen gesichert gelten, daß Anfang 1997 mindestens zehn Millionen Rechner auf der ganzen Welt miteinander per Telefon- oder Datenleitung miteinander verbunden waren. Diese Zahl soll sich derzeit etwa alle 12-15 Monate verdoppeln.
    Es gilt hierbei aber zu beachten, daß ein Server, also ein Rechner im Netz, der Speicher- und Vermittlungsaufgaben für andere Netzteilnehmer, sog. Clients, zur Verfügung stellt, mehrere Adressen haben kann. Auch kann es sein, daß sich hinter einer Adresse mehrere Server verbergen.
    Noch schwieriger zu beantworten ist die Frage, wie viele Menschen via Internet miteinander kommunizieren. Ihre Zahl wurde 1997 - zwangsläufig grob - auf etwa 40 Millionen geschätzt, mit wachsender Tendenz. Mithin dürften es 1999 zwischen 60-80 Millionen Menschen sein, die das Internet nutzen.
    Die Datenmenge, die täglich um den Erdball übertragen wird, soll das gesamte Wissen übertreffen, das der Menschheit im 19. Jahrhundert zur Verfügung stand.
    Zusammenfassend und abschließend zur Frage, was das Internet eigentlich ist, möchte ich zum weiteren Verständnis der juristischen Fragestellungen, die das Internet aufgeworfen hat, noch auf einige wesentliche Merkmale dieses Mediums eingehen.
    Das Internet ist nicht leitungsgebunden, da wie erwähnt jede Form der Übermittlungstechniken für elektronische Daten genutzt werden können, also - wie gehört - z.B. die Satellitentechnik.
    Zudem ist das Internet multimedial, weil sich alle digitalisierbaren Äußerungsformen für die Verbreitung via Internet eignen. Zu diesen Äußerungsformen gehören nicht nur Texte, sondern besonders Fotografien, Töne, Software und Bewegtbilder (Videokonferenzen, WebTV).
    Das Internet ist auch interaktiv. Dies bedeutet, daß der Nutzer sowohl zum Sender als auch zum Empfänger von Informationen werden kann. Das Netz kann daneben auch als international - ja global - bezeichnet werden, denn jeder Teilnehmer kann auf jede an irgendeiner Stelle vorhandene Information zugreifen. Dies gilt auch hinsichtlich der Datenübermittlung, denn diese kann auf ihrem Weg eine Vielzahl von Ländern durchlaufen.
    Da das Internet in früheren Jahren vorwiegend von sog. Computerfreaks entwickelt wurde, wird es auch als anarchisch bezeichnet, weil es an einer Zentralorganisation fehlt.
    Auch gehört es niemandem, so daß es, besonders für Juristen, die Schwierigkeit gibt, einen Verantwortlichen für die Inhalte der Kommunikationsvorgänge zu finden.
    Allmählich wird das Netz kommerzialisiert. So werden zum Beispiel Homepages, also Informationsangebote im Netz, von Unternehmen wie Werbekataloge gestaltet, es wird via Internet Shopping betrieben, wenn auch nach jüngsten Zahlen in Deutschland erst wenige Menschen davon Gebrauch gemacht haben, oft weil die Angebote zu unübersichtlich gestaltet seien und wohl noch ein großer Mangel an Vertrauen in die Sicherheit derartiger geschäftlicher Transaktionen bestehe.(Vgl. Bericht in der Berliner Morgenpost vom Sa, den 23. Januar 1999). Zudem werden Werbe-Emails versandt und auch auf privaten Homepages - also den Angeboten im Internet - sogenannte Werbebanner eingebunden. Und letztlich wird z.B. auch Bildung über das Netz gegen Entgelt zur Verfügung gestellt, etwa in Form von Angeboten, die paßwortgeschützt nur dann zugänglich sind, wenn die Kenntnis des Paßwortes vorher entgeltlich erlangt wurde.
    Es bedarf keiner besonderen visionären Fähigkeiten, vorauszusehen, daß das Internet nahezu jeden Aspekt des menschlichen Lebens, auch und gerade das Recht, in den nächsten Jahren weiter verändern wird.



    III. Einige Rechtsfragen im Internet:

    Es hat seit etwa Mitte der 90er Jahre Diskussionen aufgrund seiner anarchischen und offenen Strukturen darüber gegeben, ob das dezentral organisierte Internet ein rechtsfreier Raum ist. In der ganzen Welt sind derzeit Bestrebungen erkennbar, das Internet mit juristischen Mitteln zu regulieren. Eine Regulierung des Netzes durch staatliche Institutionen und traditionelle Rechtsregeln war
    jedoch lange Zeit für die meisten Netzteilnehmerinnen und -teilnehmer kaum vorstellbar, denn das Internet regulierte sich selbst, besonders durch die sogenannte "Netiquette" bzw. "Cybermanners". Hierbei handelt es sich um eine Art freiwilliger Regelsetzung durch die Netzgemeinschaft, die von Juristen nur insoweit als rechtlich verbindlich gehalten wird, als sie zwischen den Partnern als Grundlage ihrer Zusammenarbeit ausdrücklich vereinbart wird (Strömer S. 7 f.). Ein Beispiel für einen derartigen Ehrenkodex im Internet ist etwa über die Startseite der Suchmaschine Yahoo unter www. yahoo.de recherchierbar.
    Als das Internet noch nicht kommerzialisiert war und vorwiegend von Wissenschaftlern und relativ wenigen Computerspezialisten genutzt wurde, mochten diese Cybermanners als Grundlage für das Sich-Benehmen im Internet noch ausreichend gewesen sein,doch mittlerweile haben Geschäftsleute und Juristen das Internet entdeckt. So wird berichtet, daß immer öfter Rechtsanwälte, häufig im Auftrag von Unternehmen, insbesondere aus der Softwarebranche und der Musikindustrie, Abmahnungen versenden. Zudem sind seit 1995 auch die bundesdeutschen Staatsanwaltschaften in bezug auf das Internet aktiv geworden. Zunehmend werden auch die deutschen Gerichte mit Fällen, die das Internet betreffen, beschäftigt. Berühmt geworden ist hierbei der sogenannte "CompuServe-Fall", bei dem Münchner Staatsanwälte die Sperrung von ca. 200 Newsgroups (Nachrichtenforen) dieses Onlinedienstes veranlaßten, was für weltweite Proteste und Aufsehen sorgte und noch ein gerichtliches Nachspiel in Form einer auch von Juristen heftig kritisierten Verurteilung des ehemaligen Geschäftsführes dieses Dienstes hatte. (Nachzulesen ist dies z.B. in der Zeitschrift: ONLINE-TODAY Nr. 8/1998, S. 12 ff. mit einem weiteren Fall aus jüngerer Zeit "teuerster Link der Welt"))
    Hinzu tritt, daß am 1. August 1997 mit dem Mediendienstestaatsvertrag MdSTV der Länder und dem IuKDG (Informations- und Kommunikationsdienstegesetz oder auch "Bonner Multimediagesetz") auf Bundesebene zwei Gesetzeswerke mit erheblicher Relevanz für den Bereich des Internet in Deutschland in Kraft getreten sind. Bei dem IuKDG des Bundes handelt es sich um ein sog. Artikelgesetz, das mehrere weitere Gesetze beinhaltet. So etwa das Signaturgesetz als Artikel 3 des IuKDG.
    Zu diesem Gesetz gibt es übrigens auch eine Signaturverordnung. Zweck des Signaturgesetzes ist es, elektronische Daten vor Fälschungen zu schützen bzw. Verfälschungen erkennbar zu machen. Ich erwähne dies deshalb, weil seit Montag dieser Woche nach Angaben der aufgrund dieses Gesetzes zuständigen Regulierungsbehörde für Post- und Telekommunikation, Dokumente fälschungssicher über elektronische Datennetze, also auch via Internet, verschickt werden können.
    Manipulationen durch Computerhacker seien nun nach Ansicht der Behörde ausgeschlossen (zw.) Es würden hierzu Dokumente mittels eines elektronischen Zahlen- und Buchstabencodes praktisch versiegelt. Mit der Einführung dieser sog. Digitalen Signatur nehme Deutschland weltweit eine "Pionierrolle" ein. Die Kontroll- und Genehmigungsbehörde für digitale Signaturen in Deutschland nahm nach Meldungen der Nachrichtenagentur Reuters vom 26.01.99 am vergangenen Montag in Mainz ihren Betrieb auf (recherchierbar unter www.regtp.de/Aktuelles/pm2501.htm sowie unter www.newsroom.de/news/db_detail.cfm?Datensatz=22005, Stand: 26.1.99).
    Für die Sicherheit des elektronischen Rechts-und Geschäftsverkehrs, besonders die Handelskommunikation via Internet (E-commerce als Stichwort) ist dies eine sehr bedeutsame Angelegenheit. Abgedruckt sind die erwähnten Gesetze nebst Signaturverordnung in der im Literaturverzeichnis angegebenen Textausgabe.

    Auch internationale Bestrebungen, die darauf abzielen, weitere durch das Internet geschaffene Rechtsunsicherheiten zu beseitigen, sollen nicht unerwähnt bleiben. So beispielsweise die Bestrebungen der WIPO (Weltorganisation zum Schutze geistigen Eigentums) auf dem Gebiet des internationalen Urheberrechtsschutzes. Es sind z.B. von der Diplomatischen Konferenz in Genf, an der über 100 Staaten teilnahmen, bereits im Dezember 1996 zwei Verträge ausgearbeitet worden, um den Schutz der Urheber, ausübenden Künstler und Tonträgerhersteller zu verbessern. Diese Verträge heißen WCT (WIPO Copyright Treaty) und WPPT (WIPO Performances and Phonograms Treaty). Wichtigste Neuerungen dieser Verträge sind die Einführung eines Online-Rechts für die genannten Personengruppen, mit dem diese die Zugänglichmachung ihrer Werke (zum Werkbegriff siehe § 2 UrhG der Bundesrepublik Deutschland)) im Internet und anderen digitalen Netzen kontrollieren können. Unter www.bmj.de/misc/wipo.htm finden sich nicht nur weitere Informationen hierzu, sondern auch die Verträge selbst.
    Zu den Schwierigkeiten des Schutzes geistigen Eigentums im Internet gehört das Problem der sog. Ubiquität, im Sinne einer überall gleichzeitigen Nutzbarkeit und Überallerhältlichkeit geistigen Eigentums im "Netz der Netze". Anders als dies bei körperlichen Gegenständen, also Sachen, der Fall ist, müssen die geistigen Rechte, die in Deutschland durch das UrhG und weitere internationale Abkommen geschützt werden, niemandem physisch weggenommen werden. Es wird daher auch vertreten, daß dem Urheberrechtsberechtigten letztlich "nur" die Möglichkeit einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung seiner Werke genommen werde. Dieses spezifische Problem des Internet sowie weiterer internationaler Datennetze mag so manchem Verletzer die Einsicht in den Unrechtsgehalt erschweren, wenn er Grafiken, Töne und Musik ohne oder gegen den Willen des Urheberrechtsberechtigten ins Netz stellt. So ist im Augenblick der "Musikdiebstahl" via Internet, das Internet-Bootlegging mit Softwarelösungen wie MP3 und MP4 ein medienwirksames Thema und beschäftigt nicht nur Musiker, die Plattenindustrie und die großen Verwertungsgesellschaften wie die GEMA. Herr Horzon hat mir zu diesem Thema einen Beitrag aus der Zeitschrift "Die Woche" vom 22.01.99 von Johannes Waechter mit dem Titel: "Sargnagel fürs CD-Geschäft" zukommen lassen. In diesem Beitrag wird berichtet, daß die Gruppe "Public Enemy"
    Songs ihrer neuesten Platte kostenlos ins Netz gestellt habe, woraufhin diese von ihrer Plattenfirma "Def Jam" gefeuert wurde. Noch ausführlicher widmet sich dem Thema Musikindustrie und Internet der Artikel "www.pop.de", der im Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" Nr. 2/11.1.1999 erschienen ist. Überhaupt gibt es zum Thema Schutz des geistigen Eigentums im Internet eine Fülle von Beiträgen und auch Gesetzesinitiativen; beispielsweise aus dem Mutterland des Internet, den USA, mit dem sog. Digital Millenium Copyright Act of 1998. Mit diesem wird eine umfassende Reform des US-amerikanischen Urheberrechts bezweckt. So gibt es in diesem Gesetzesvorhaben auch Regelungen zur Frage der urheberrechtlichen Haftung betreffend Hyperlinks. Zu diesem Thema ist von Bettinger/Freytag ein interessanter Beitrag in der CR 1998, S. 545 ff erschienen, der im Literaturverzeichnis angegeben ist.

    Zu den rechtlichen Kernfragen, die durch das Internet aufgeworfen wurden, gehören besonders folgende:
    In juristischer Hinsicht erhebt sich die Frage, ob und in welchem Umfang klassische Rechtsnormen für den Kulturraum Internet anwendbar sind. Ganz allgemein stellt das Internet wegen seiner weltweiten Verbreitung die Juristen vor das Problem, daß zu jedem Zeitpunkt im Netz Menschen mit unterschiedlichen Wertvorstellungen aus völlig verschiedenen Kulturen zusammentreffen, die in verschiedenen Rechtsordnungen aufgewachsen sind. Hierbei bleiben Konflikte nicht aus, so z.B. in bezug auf die Meinungsfreiheit. Was etwa in einem Land noch als Ausfluß der Meinungsfreiheit toleriert wird, ist an einem anderen Ort als gewaltverherrlichende Propaganda mit Strafe bedroht.
    Das Internet zeigt auch deutlich - etwa im Bereich des Schutzes geistigen Eigentums - die Grenzen nationaler Regulierungsversuche durch die einzelnen Gesetzgebungen. Es besteht zudem die Gefahr, daß auch in rechtstatsächlicher Hinsicht urheberrechtsfreie Oasen entstehen, etwa in China.
    Auch können strafrechtlich relevante Verhaltensweisen, die via Internet begangen werden könnten, für juristische Diskussionen sorgen, etwa in Fällen, in denen der potentielle Straftäter von einem anderen Ort aus gehandelt hat, als an demjenigen, an dem das Objekt der fraglichen Tat und der Erfolg eintritt. Zur Veranschaulichung mag der von Rafael Horzon und Ron Hillmann, einem Studierenden der Wissenschaftsakademie Berlin, entwickelte - zugegeben (noch) hypothetische - Fall dienen:
    Ein Chirurg C in Deutschland führt per Internet eine Operation an einem Patienten (P) in Frankreich durch. P stirbt aufgrund eines Steuerfehlers am Computer unter qualvollen Umständen. Kann der Chirurg nach deutschem Recht strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden?
    Ich versuche nun einen in der Literatur vertretenen Lösungsansatz bei Strafrechtsfällen mit Auslandsbezug darzustellen:
    Nach Collardin CR 1995, S. 618 ff. (siehe Literaturverzeichnis) müßte in derartigen Fällen der Bereich des deutschen internationalen Strafrechts, geregelt in den §§ 3-7 StGB (Strafgesetzbuch der Bundesrepublik Deutschland) betroffen sein. Es kommt hierbei besonders auf den Tatort (§9 StGB) an. Etwaige
    Fragen des Vorsatzes und eines eventuellen Verbotsirrtums möchte ich hier ausklammern.
    Voraussetzung für eine Bestrafung des C nach deutschem Recht ist hiernach also die Geltung des deutschen Strafrechts (§§3-7 StGB). Das sogenannte Territorialprinzip (Gebietsgrundsatz) ist der tragende Anknüpfungspunkt im internationalen Strafrecht. Es knüpft an den Tatort an und bestimmt, daß unabhängig von der Nationalität des Täters oder des Verletzten deutsches Strafrecht gilt.
    Zu erwähnen ist, daß nach § 9 StGB der Tatort praktisch überall dort ist, wo der Täter physisch gehandelt hat oder hätte handeln müssen (§ 13 StGB), wo der Erfolg eingetreten ist oder der Erfolg demzufolge hätte stattfinden sollen. Die Konsequenz dieses Grundsatzes ist, daß jede Straftat im Internet, weil sich immer weltweite Wirkung entfaltet, eine deutsche im Sinne des § 3 StGB ist. Hieraus ergibt sich angesichts des in § 163 Abs. 1 StPO (Strafprozeßordnung der Bundesrepublik Deutschland) normierten "Legalitätsprinzips", daß die deutsche Staatsanwaltschaft grundsätzlich zum Einschreiten gegen C verpflichtet wäre. Diese Lösung beansprucht nicht absolute Richtigkeit und mag als Diskussionsgrundlage nach diesem Vortrag - besonders für die Juristinnen und Juristen unter Ihnen - dienen.

    Soweit zu diesem Thema, das Sie anhand der Literaturliste weiterverfolgen können, die, ebenso wie der Vortrag in bezug auf die rechtlichen Fragestellungen, keinen Anspruch auf Vollständigkeit haben kann, denn mehr als einen ersten Einstieg in diese komplexe Materie kann und sollte diese Veranstaltung nicht bieten.


    IV. Literaturliste zum Thema Internet/Recht:
    1. Gesetzestexte:
    1.1 In klassischer Buchform erhältlich:
    "Telemediarecht -Telekommunikations- und Multimediarecht" - Textausgabe
    1. Auflage 1998 Beck-Texte im dtv (Deutscher Taschenbuch Verlag)
    Enthält zum Beispiel den Mediendienstestaatsvertrag der Länder, das Telekommunikationsgesetz, das Signaturgesetz und die Signaturverordnung u.a.
    1.2 In moderner Form im Internet recherchierbar zum Beispiel unter:
    http://www.online-recht.de (Stand: 27.01.99,12:18)

    2. Literatur:
    Hoeren, Thomas: Rechtsfragen des Internet - Skriptum (Stand: 1. April 1998) RWS-Verlag
    Strömer, Tobias H.: Online-Recht: Rechtsfragen im Internet und in Mailboxnetzen, Heidelberg: dpunkt, Verlag für digitale Technologie 1997

    3. Internetangebote mit juristischenThemen:
    Jeweils http://+Adresse:
    www.akademie.de (über diese Adresse sind zahlreiche Hinweise zu Rechtsfragen im Internetbereich recherchierbar)
    www.netlaw.de (Die Seite des RA Tobias H. Stroemer. Gute und verständliche Darstellungen zum Online-Recht, als Ergänzung zu seinem Buch geeignet).
    www.uni-muenster.de/Jura/itm (ausgezeichnetes Informationsangebot, nicht nur für Juristen, mit zahlreichen Materialien und aktuellen Informationen besonders zum Thema Internet und Recht)
    www.cs.tu-berlin.de/»uzadow/recht/ (etwas aktualisierungsbedürftiges Angebot, doch mit einführenden Beiträgen zum Thema: Recht und neue Medien.)

    4. Spezielle Zeitschriftenaufsätze zu den im Vortrag angesprochen Fragen:
    Bettinger, Torsten/Freytag, Stefan: "Privatrechtliche Verantwortlichkeit
    für Links - Zugleich Anmerkung zum Urteil des LG Hamburg vom 12.5.1998.", Computer und Recht (CR) Heft 9/1998, S. 545-556.
    Collardin, Marcus: "Straftaten im Internet - Fragen zum internationalen Strafrecht." Computer und Recht (CR) Heft 10/1995, S.618-622.
    Engel-Flechsig, Stefan / Maennel, Frithjof A. / Tettenborn, Alexander: "Das
    neue Informations- und Kommunikationsdienste-Gesetz", Neue Juristische Wochenschrift (NJW) Heft 45/1997, S. 2981-2992.
    Geis, Ivo: Die digitale Signatur, NJW 45/1997, S. 3000-3004.
    Gounalakis, Georgios: "Der Mediendienste-Staatsvertrag der Länder", NJW 45/1997, S. 2293-2299.



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